Maskenpflicht in Schulen

Am 08.04.2021 hat das Amtsgericht Weimar beschlossen, dass Lehrkörper an zwei Schulen in Weimar keine Maskenpflicht, Mindestabstände oder Schnelltests anordnen dürfen. Das Gericht gibt den beiden Schulen auf, Präsenzunterricht durchzuführen. Diese Anordnung ist im Lichte einer Grundrechtsabwägung als kritisch zu sehen. Gegen diese Entscheidung sind Rechtsmittel möglich und sogar wahrscheinlich.

Das Amtsgericht Weimar entschied durch einstweilige Anordnung am 08.04.2021 in einer mit 178 Seiten sehr ausführlichen Entscheidung, dass Schulen zweier Schüler aus Weimar aus Gründen des Kindeswohls weitgehend von den ihnen auferlegten Infektionsschutzmaßnahmen abzusehen haben.

Zugrunde liegen die Anträge zweier Kinder, beziehungsweise derer Erziehungsberechtigter. Diese regten mit Schriftsatz vom 13.03.2021 beim Familiengericht an, ein Kinderschutzverfahren gemäß § 1666 BGB an. Hintergrund ist, dass die Schulen der Kinder, die eine staatliche Grundschule in der dritten Klasse sowie eine staatliche Regelschule in der achten Klasse besuchen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Infektion angeordnet haben. Hierzu gehören Abstand und Maskenpflicht. Die Antragsteller gehen davon aus, dass darin eine Gefährdung des Kindeswohls läge. Die Kinder würden physischen, psychischen und pädagogischen Schaden nehmen.

Daher begehrten die Antragsteller vom AG Weimar, gemäß Paragraph 1666 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Schulleitungen und Lehrer anzuweisen, die Regelungen aufzuheben. Nach diesem Paragraphen kann das Familiengericht auch gegen Dritte, als nicht Verfahrensbeteiligte, Verfügungen erlassen, wenn das Kindeswohl in Gefahr ist.

Tatsächlich ordnet die Allgemeinverfügung in Thüringen vom 31.03.2021 an, dass von Schülern ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr an, innerhalb von Schulgebäuden Masken zu tragen haben.

Allerdings kann eine Entscheidung gemäß § 1666 BGB nur dann erfolgen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Hierzu trugen die Eltern eines der Kinder vor, dass das Kind am 22.03.2021 ein Attest vorgelegt habe. Dem Kind sei von der Maske mehrfach pro Woche übel geworden. Am Ende eines Unterrichtstages habe er Kopfschmerzen vom Tragen der Maske bekommen. Seit das Kind jedoch aufgrund Attestes vom Tragen der Maske befreit wurde, entstanden ihm soziale Nachteile. Es musste in einer Ecke sitzen, fern ab von anderen Kindern sitzen und wurde nicht mehr mit dem eigenen Namen angesprochen.

Auch das Kind der weiteren Antragsteller klagte über Schmerzen seit der Maskenpflicht. Es habe oft Bauchschmerzen. Rund vier mal monatlich müsse es erbrechen. Das Kind schlafe unruhig und weine im Schlaf. Beide Kinder gingen seit der Maskenpflicht ungern zur Schule.

In Anbetracht dieser Gefährdungen des Kindeswohls geht das AG Weimar dann darauf ein, dass in die Grundrechte von Kindern zulässigerweise nur dann eingegriffen werden kann, wenn hierdurch höherwertige Rechtsgüter anderer geschützt werden müssen. Es war also am Gericht die vorgetragenen Einschränkungen gegen die beabsichtigte Infektionsbekämpfung abzuwägen. Hierzu ist der Freistaat Thüringen beigeladen worden. Dieser nahm jedoch in dem einstweiligen Verfahren nicht Stellung.

So verließ sich das Gericht dann auf eine Stellungnahme zu den konkreten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Diese kamen jedoch letztlich zu dem Ergebnis, dass die Wirkung der Maßnahmen ungewiss sei. Die Gewissheit vor allem der Wirkung der Mund-Nasen-Bedeckung sei nicht nachgewiesen. Das Gutachten setzt sich dabei mit der Sicherheit der Wirksamkeit von Maßnahmen, insbesondere Masken und Abstand, die mittlerweile durch mehrere Studien geprüft wurden, auseinander.

Aufgrund dieser Stellungnahmen entschied das Gericht dann, dass die Anregungen der Antragsteller begründet seien. Das Wohl der Kinder sei gefährdet. Die Maßnahmen, die die Gefährdung herbeiführten, seien ungeeignet und unverhältnismäßig. Die Kinder erlitten erheblichen psychosozialen Schaden. Dem stünde ein „allenfalls marginaler Nutzen für die Kinder selbst oder Dritte gegenüber“.

Das Gericht erließ einen Beschluss mit weitreichenden Regelungen für die Verfahrensbeteiligten und letztlich für den Schulbetrieb des Landes Thüringen. Richtigerweise lässt § 1666 BGB weitreichende Regelungen zugunsten des Kindeswohls zu. Diese sind jedoch letztlich an anderweitigen Rechtsgütern, wie dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit, zu messen. Inwiefern die Angelegenheit in einem Eilverfahren aufgrund besonderer Dringlichkeit zu entscheiden war, erschließt sich ebenfalls nicht hinreichend. Immerhin hätte auch in einer mündlichen Verhandlung geklärt werden können, inwiefern andere Maßnahmen, die weniger einschneidend für die Allgemeinheit wären, das Kindeswohl ebenfalls schützen würden.

Diese Entscheidung findet zunächst nur in den für das Verfahren benannten Schulen Anwendung. Dort kann § 1666 BGB auch für Dritte Anordnungen treffen. Die Schule und das Land sind jedoch verfahrensbeteiligt und haben daher die Möglichkeit eine Entscheidung in der Hauptsache zu beantragen, da sie durch die Entscheidung beschwert sind.

Es stellt sich jedoch weiter die Frage, ob die Entscheidung überhaupt umgesetzt werden wird. Immerhin beschließt hier das Gericht, dass zugunsten des Kindeswohls der beiden Antragsteller die gesamte Schule ihre vom Land gegebenen Infektionsschutzauflagen missachte. Das Land, dort das Bildungsministerium, selbst nahm bereits am 12.04.2021 Stellung und meldete „gravierende verfahrensrechtliche Zweifel“ an.

Entsprechend hat nun am 13.04.2021 das Bildungsministerium in Thüringen auch das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt, dessen Zulässigkeit und Begründetheit aktuell vom Gericht geprüft wird.